In der Propsteikirche St. Georg in Vechta wird eine Reliquie der Arme des hl. Alexanders aufbewahrt. Ursprünglich in Wildeshausen beheimatet, kam sie im Dreißigjährigen Krieges nach Vechta. Im linken Arm befindet sich noch heute eine 24 cm lange dünne Elle, dreifach in Stoffe gehüllt. Sie ist lose in einen sandfarbenen Leinenstoff, in eine gelbe Seide und zuletzt in einen dunkelblauen gemusterten Seidenstoff eingewickelt. Der letztere, der die Elle unmittelbar umhüllt, gehört möglicherweise zum ursprünglichen Bestand des Reliquiars. Laut kunsthistorischer Untersuchung von Géza Jászai ist dieser Stoff »in Byzanz im 8. oder 9. Jahrhundert« entstanden.
Ob diese kostbare textile Reliquienhülle tatsächlich bereits der Elle des hl. Alexanders im Jahre 851 in Rom beigefügt wurde, muss leider eine Vermutung bleiben, da das Reliquiengrab im linken Armreliquiar des Heiligen nicht mehr in seinem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben ist. Die zeitliche Nähe der Entstehung dieses Seidengewebes mit der Reliquienübertragung nach Wildeshausen im Jahre 851 erinnern umso eindringlicher an dieses kultische Ereignis.
Die Auffindung dieses Reliquienstoffes bereichert unsere Kenntnisse von der byzantinischen Textilkunst des frühen Mittelalters und mahnt zugleich zu sorgsameren Umgang mit solchen kostbaren kleinen Funden.
Eingedenk dieser Mahnung von Géza Jászai hat das Museum im Zeughaus in seiner Unterabteilung des »Zentrums für Experimentelles Mittelalter« den Alexanderstoff nachweben lassen. Zum einen wurde ein Rapport in der Garnstärke des Originalstoffes in der Gesamtgröße 8 cm x 9,5 cm gewebt. Zur besseren Visualisierung wurden ferner fünf Rapporte in einer dickeren Garnstärke in der Gesamtgröße von 106 cm x 36 cm hergestellt. Mit diesen Repliken ist es in der Zukunft nicht mehr nötig, zu denkbaren Ausstellungszwecken die Armreliquie zu öffnen, um den Stoff zu präsentieren.
Mit der fachlichen Kompetenz der Webermeisterin Doris Arendholz, die für ihre historischen Repliken und liturgischen Webarbeiten ausgezeichnet wurde, konnte das Museum eine Person finden, die in der Lage ist, den Alexanderstoff nach Augenscheinnahme und entsprechenden experimentellen Webproben nachzuweben. Die Webarbeiten und die damit notwendigen experimentellen Probearbeiten wurden fotografisch dokumentiert und in einer Broschüre veröffentlicht.
Die Stoffrepliken werden in der Dauerausstellung »Mittelalter« im Museum präsentiert – zusammen mit dem schriftlichen Bericht über die Translatio und Miracel der Alexanderreliquien um 850. Damit wird in diesem Teil der Dauerausstellung die Bedeutung der Missionierung der Sachsen durch die Wildeshauser Nachfahren Widukinds herausgestellt.
Dieser ersten Pilgerfahrt soll die Darstellung von weiteren Pilgerfahrten zu Seite gestellt werden, die in den späteren Jahrhunderten über den sogenannten »Pickerweg« zwischen Wildeshausen und Osnabrück nach Santiago di Compostella, Spanien, stattfanden. Der Pickerweg wurde inzwischen von der deutschen Jakobusgesellschaft als Teilstück des baltisch-westfälischen Jakobusweges anerkannt.